Internationale Frauen*konferenz – Raum Beschreibungen

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Anlässlich unseres zwanzigjährigen Bestehens veranstalten wir vom 4. bis zum 7. August 2022 in Berlin die Internationale Frauen*konferenz: Breaking Borders to Build Bridges. 20 Jahren Women in Exile & Friends. Wir werden die internationalen feministischen Kämpfe sichtbar machen, analysieren und die Praxen im Austausch weiterentwickeln. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die Situation geflüchteter Frauen*. Wir gehen aus von unseren individuellen und kollektiven Erfahrungen, von unseren Räumen des Widerstands und der Unterstützung. Dieser Widerstand ist für das Überleben und die Überwindung der rassistischen, sexistischen und ausgrenzenden Praktiken von entscheidender Bedeutung. Denn vor, während und nach der Flucht aus unseren Gemeinschaften und Regionen sind wir massiven Diskriminierungen ausgesetzt. 

Wir rufen Flüchtlingsfrauen*, Feministinnen und solidarische Freundinnen dazu auf, die Erfahrungen zu verweben, indem wir unsere Analysen und Praxen zu den wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und sozialen Ursachen von Vertreibung in verschiedenen Teilen der heutigen Welt miteinander austauschen. 

Während dieser vier Tage werden sieben Themenräume geöffnet sein, in denen wir verschiedene partizipatorische Workshops, Erfahrungsaustausch-Sitzungen, kollektive Lesungen, audiovisuelle Vorführungen und kulturelle und künstlerische Ausstellungen veranstalten. Jeder Tag wird mit einer Versammlung abgeschlossen, in der die wichtigsten Überlegungen des Tages gesammelt werden. 

Thematische Räume 

1. Geschlechtsspezifische Fluchtursachen: Ausbeutung, Ausgrenzung und Gewalt

2. Klimawandel und umstrittene Territorien: Politische, ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Gründe für Vertreibung und Zwangsumsiedlung 

3. Solidarität und Praxis: Was ist Solidarität und wie wird sie im Alltag gelebt?

4. Struktureller und persönlicher Rassismus: Auswirkungen der staatlichen Flüchtlingspolitik auf geflüchtete Frauen* und der Widerstand dagegen

5. Gesundheit und Räume der Heilung. Gesundheitsversorgung für alle – ohne Rassismus

6. Frauen*bewegungen und Feminismen aus dem globalen Süden

7. Lesung aus dem kollektiv geschriebenen Buch „Women in Exile – Breaking Borders to Build Bridges“ und Gespräche über Archivierung 

Worüber wir in den thematischen Räumen sprechen werden:

Raum 01: Geschlechtsspezifische Fluchtursachen: Ausbeutung, Ausgrenzung und Gewalt 

Die Workshops fokussieren auf geschlechterspezifische Fluchtursachen wie sexualisierte Gewalt auf der Flucht und im Exil. Im globalen Süden gibt es unterschiedliche Formen von Gewalt gegen Frauen*. Die Gewalt ist meist mit Armut verbunden. Manche werden von ihren Ehemännern misshandelt, andere von ihren Familien wegen ihrer geschlechtlichen Orientierung verstoßen. Einige von uns haben sexualisierte Gewalt in ihren Heimatländern überlebt. Andere von uns haben geschlechtsspezifische Gewalt auf der Flucht überlebt. Wenn die Länder, in denen wir Asyl beantragen, geschlechtsspezifische Verfolgung und sexualisierte Gewalt nicht als Fluchtgründe anerkennen, sind wir weiterhin patriarchaler Gewalt ausgeliefert. In Gefängnissen, in Flüchtlingslagern, in Gemeinschaftsunterkünften, in der Illegalität wehren wir uns gegen staatliche patriarchale Gewalt. Die Referentinnen werden auch über die Heilung von Traumata sprechen – Traumata hervorgerufen durch lange, gefährliche Reisen und das Leben im Exil.

Wir werden uns über unsere verschiedenen Kraftquellen und Strategien austauschen, wie wir uns organisieren und schützen, manchmal kollektiv, manchmal allein. 

Raum 02: Klimawandel und umstrittene Territorien: Politische, ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Gründe für Vertreibung und Zwangsumsiedlung  

Die Klimakatastrophe erfordert einen globalen Wandel. Die Klimazerstörung im globalen Süden ist ein Katalysator für Migration und Flucht. Die kapitalistische Zerstörung und Veränderung von Ökosystemen, Arbeit und der Ressourcenabbau sind Faktoren, die zum Klimawandel beitragen und das Leben der Menschen beschädigen. Die koloniale Vergangenheit des Landbesitzes, Landgrabbing und multinationale Unternehmen, die große Landflächen zu sehr niedrigen Kosten pachten, sind Katalysatoren für Dürren und damit schlechte Ernten, Hunger und die Abwanderung der lokalen Gemeinschaften. Die Jugend zieht in die Städte, wo sie keine Arbeit und keine Möglichkeit hat, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Daher riskieren sie ihr Leben und wandern in den globalen Norden aus, um dort nach Möglichkeiten zur Verbesserung ihres Lebens zu suchen. Zu viele dieser Menschen, vor allem diejenigen, die nach Europa wollen, sterben in der Wüste Sahara oder im Mittelmeer, der tödlichsten Grenze der Welt.

In diesem Workshop werden unsere Gäste über die Herausforderungen des Klimawandels in ihren Regionen sprechen, besonders wie er vor allem Frauen* in ihren Gemeinschaften betrifft. Wir werden darüber sprechen, wie die Menschen im globalen Norden und Süden gemeinsam für Klimagerechtigkeit kämpfen können. Wie die Ressourcen so aufgeteilt werden können, dass sie allen zugutekommen, ohne dass ein Teil nur nimmt und der andere ausgebeutet wird. Wir wollen voneinander lernen und solidarische Wege finden, um den ganzen Planeten zu erhalten und nicht nur einen Teil davon. 

Raum 03: Solidarität und Praxis 

Wir werden vielfältige Fragen zu Solidarität stellen, gemeinsam Ideen sammeln, konkrete Praxen diskutieren und Antworten auch auf kritische Fragen suchen. Was bedeutet Solidarität? Wie wird sie im Alltag und in konkreten Aktionen gelebt? Welche Solidarität fordern geflüchtete Frauen*? Welche Erfahrungen haben sie* mit Solidarität? Wie wird Solidarität in anderen Regionen und Kontinenten praktiziert? Ist Solidarität immer “echt”? Kann sie auch Teil rassistischer Herrschaft sein? Wie kann man paternalistischen Praktiken wie Bevormundung und Dominanz in kollektiven und aktivistischen Räumen erkennen? Wie entwertet Paternalismus Wissen, kulturelle und soziale Praktiken, die sich vom westlichen Denken, dem Rationalismus, unterscheiden? Wie können wir unsere unterschiedlichen Positionierungen für politische Änderungen nutzen? Können sich Frauen mit unterschiedlichem Status und Zugang zu Ressourcen auf Augenhöhe begegnen? Wie können Hierarchien abgebaut werden? Gemeinsam wollen wir Vorschläge erarbeiten, die sich im Aktivismus und im alltäglichen Miteinander praktizieren lassen. So können wir uns und unsere Netzwerke stärken.

Raum 04: Struktureller und persönlicher Rassismus: Auswirkungen der staatlichen Flüchtlingspolitik auf geflüchtete Frauen* und der Widerstand dagegen

Welche Auswirkungen hat die restriktive Flüchtlingspolitik auf das Leben und den Körper von geflüchteten Frauen*? Wir werden die rassistischen Praktiken besprechen, denen geflüchtete Frauen* und Migrantinnen täglich ausgesetzt sind. Wichtig ist uns, den Austausch und die Diskussion über rassistische Erfahrungen mit praxisorientierten empowernden Ansätzen zu verknüpfen, die uns im Kampf gegen Rassismus stärken.

Zunächst zur Reflexion: Wir möchten aufzeigen, was es bedeutet, nicht arbeiten oder studieren zu können, sich nicht frei bewegen zu dürfen und auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem zu haben. Geflüchtete Frauen* werden in Lagern außerhalb der Städte und Dörfer untergebracht. Sie leben isoliert und sind mit vielfältigen Formen der Gewalt und Diskriminierung konfrontiert. Women in Exile & Friends arbeitet hierzu seit über 20 Jahren und ermutigt die Frauen*, Missstände aufzuzeigen. Denn dies ist eine Basis um die Analyse weiter zu entwickeln. Es gibt eine soziale und körperliche Kartographie, die uns den isolierten Aufenthaltsort und einen Status ohne Rechte zuweist. Einschränkungen sind mit Geschlecht, der sexuellen Identifikation und Orientierung, dem Herkunftsort, der sozialen Klasse, der Religion oder Spiritualität verbunden. Oft sind wir mit Mehrfachdiskriminierung konfrontiert. Transpersonen erleben Rassismus, der mit Transfeindlichkeit und oft auch mit Sexismus verknüpft ist. Andere erfahren Rassismus verwoben mit Lesbenfeindlichkeit und Altersdiskriminierung. Hier benennen wir beispielhaft nur einige der Diskriminierungsformen.

Im praktischen Teil möchten wir konkrete Handlungsmöglichkeiten entwickeln, die in alltäglichen Situationen tauglich sein können: Was kann eine Person tun, um sich gegen Rassismus zu wehren? Die Teilnehmerinnen der praxisorientierten Workshops werden sich über rassistische Strukturen austauschen und auf konkrete Alltagssituationen fokussieren. Welche Möglichkeiten der Reaktion und Aktion gibt es bei diskriminierenden Kommentaren, Haltungen, gar physischen Übergriffen? Welche Strategien sich zu wehren, Grenzen zu setzen, Rassismus und mit ihm verwobene Diskriminierungsformen zu stoppen, haben andere Teilnehmerinnen entwickelt? Gab es in solchen Situationen Verbündete und Komplizinnen? Welche Rolle spielen weiße Unterstützerinnen? Welche Rolle sollen sie spielen?

Raum 05: Gesundheit und Räume der Heilung. Gesundheitsversorgung für alle – ohne Rassismus

Geflüchtete Frauen* werden im Gesundheitssystem diskriminiert. Sie haben wenig bis gar keinen Zugang zu psychotherapeutischer und ärztlicher Versorgung. Der unsichere Aufenthaltsstatus ist psychisch extrem belastend. Manche von uns werden suizidal. Wer illegalisiert ist, bleibt strukturell ganz außen vor, es gibt kein Anrecht auf eine Behandlung. Dazu kommt der Rassismus im Gesundheitssystem. Wir fragen uns: Warum gebären so viele Flüchtlingsfrauen (oft gegen ihren Willen) ihre Kinder mit Kaiserschnitt? Women in Exile kennt die Erfahrungen der geflüchteten Frauen* sehr gut, die Aktivistinnen haben es selbst erlebt.  

In diesem Themenraum werden wir die Defizit aufzeigen. Ziel ist, Alternativen zu finden, die uns unsere Würde wiedergeben. Wir laden die Teilnehmerinnen ein, Erfahrungen aus der Frauenbewegung und aus feministischen Netzwerken zu teilen. Wir werden Wissen auch über traditionelle Heilmethoden austauschen und Wege finden, um die emotionale und körperliche Gesundheit von Frauen und ihren Gemeinschaften zu stärken. Auch support-Strukturen für Geflüchtete in Berlin, wie das Medi-Büro, stellen ihre Arbeit vor. Es gilt unterschiedliche Ansätze auszutauschen, sich voneinander inspirieren zu lassen, unterschiedliche Akteurinnen miteinander zu verknüpfen, um die gesundheitliche Versorgung für geflüchtete Frauen* zu stärken, und auf eine breitere Basis zu stellen. 

Raum 06: Frauen*bewegungen und Feminismen aus dem globalen Süden

Dieser Raum wird Frauen* und Feministinnen aus Alkebulan (Afrika) und Abya Yala (Amerika) zusammenbringen, die ihre Vorschläge für Aktivismus und antipatriarchalen, antirassistischen und antikapitalistischen Feminismus aus der Pluralität des Wissens heraus teilen werden. Wir werden feministische Perspektiven, verschiedene Visionen von der Welt kennen lernen und erfahren, wie sie mit anderem Wissen umgehen, das nicht in der Rationalität des Westens entstanden ist. Der Raum lädt Frauen aus unterschiedlichen Kontexten ein, sich über ihre Praxis im Kampf gegen Gewalt und Rassismus und zum Schutz ihrer Gebiete  auszutauschen. 

Raum 07: Lesung aus dem kollektiv geschriebenen Buch „Women in Exile – Breaking Borders to Build Bridges und Gespräche über Archivierung 

Kollektive Lesung: „Women in Exile – Breaking Borders to Build Bridges“

In diesem Raum werden die Autor*innen Auszüge aus dem Buch lesen. Sie teilen zudem ihre* Beweggründe, die sie* dazu gebracht haben, über ihre* Erfahrungen im Kollektiv „Women in Exile & Friends“ zu schreiben und zu veröffentlichen. Dazu geht es um die Feier der Brücken der Solidarität, die durch diese kollektive Arbeit auf der Suche nach persönlicher und kollektiver Heilung entstanden sind.

Archivierung: Hier wird derProzess der Erstellung des Women in Exile Archivs vorgestellt. Die Archivierung wurde von den Aktivistinnen selbst vorgenommen. Durch partizipative Methoden wurden Prozesse der Sammlung, Klassifizierung und Rekontextualisierung der von der Organisation in den letzten 20 Jahren erstellten Dokumente ermöglicht.

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