Flüchtlinge als Schachfiguren im Spiel der europäischen Machtpolitik

Kirchenasyl wird 40 Jahre alt & Besuch an der polnisch/weißrussischen Grenze

Women in Exile & Friends sind Teil des International Sanctuary Declaration Netzwerks. So haben wir in diesem Sommer an der Feier zu 40 Jahren Kirchenasyl in Deutschland teilgenommen.

Die Bewegung begann 1993, ein Jahr nach der US-Sanctuary-Bewegung. In der zweitägigen Konferenz, die am 30.-31. August stattfand, wurde die Geschichte von Kirchenasyl vorgestellt, Podiumsdiskussionen und Workshops wurden abgehalten, um herauszufinden, wie die Arbeit von Kirchenasyl verbessert werden kann und wie man in den heutigen rassistischen Status quo eingreifen kann, mit dem Asylsuchende konfrontiert sind. 

Kirchenasyltagung

Vor 40 Jahren öffnete die Kirche in Berlin ihre Türen für eine von Abschiebung bedrohte palästinensische Familie. Es endete erfolgreich und viele weitere Kirchenasyle folgten. Die Kirchen haben kein Recht auf Kirchenasyl, es wird nur (oder meißt) vom Staat geduldet und ist ein Ergebnis des Kampfes um Freizügigkeit und Schutz für Flüchtlinge – ein religiöses Gebot, das nicht verhandelbar ist. Immer wieder wird versucht, die Flüchtlinge und die Leitung der beteiligten Kirchengemeinden oder Klöster zu kriminalisieren. In sehr seltenen Fällen wird das Kirchenasyl auch von der Polizei gebrochen: Im Juli 2023 wurde in Nordrhein-Westfalen eine kurdische Familie aus dem Kirchenasyl geholt und in Abschiebehaft genommen. Nach Protesten wurde die Abschiebung gestoppt.

Um Menschen vor der Abschiebung zu schützen, meldet die Kirche dem BAMF, dass sich die Personen in ihrer Obhut befinden. So kann Zeit gewonnen werden, um andere Möglichkeiten für einen individuellen Aufenthalt zu prüfen. Im August 2023 befinden sich in Deutschland 655 Personen im Kirchenasyl, darunter 136 Kinder.

An der Konferenz nahmen nationale und internationale Delegierte teil, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, insbesondere in den Grenzgebieten, in denen Flüchtlinge täglich ihr Leben riskieren, um Sicherheit zu finden. Dazu gehörten die Grenzen von Polen/Belarus, Griechenland/Türkei, USA/Mexiko, USA/Kanada, Guatemala/Mexiko.

Internationale Sanctuary Delegation in Polen an der Grenze zu Belarus 2023

Besuch an der EU-Grenze

Nach der Teilnahme an der Konferenz durch die Leitung eines Workshops und die Teilnahme an einem Panel nahmen wir an einer Beobachtungsdelegation an der polnisch-weißrussischen Grenze teil, die vom 01. bis 07. September stattfand. Diese Reise brachte uns in Kontakt mit verschiedenen Akteuren, die die Menschen auf der Flucht unterstützen, die versuchen, die polnisch-weißrussische Grenze zu überqueren. Die Realität der ständigen gewalttätigen und manchmal tödlichen Push-backs und die Militarisierung dieser Grenze war schockierend.

Wir erfuhren von den Gefahren, denen die Menschen ausgesetzt sind, wenn sie versuchen, die hohen Stacheldrahtmauern zu überwinden und sich durch dichte, sumpfige und wunderschöne alte Wälder zu bewegen. Wir sahen, wie die Rechte der Natur und die Menschenrechte miteinander verbunden sind und beide durch die Militarisierung mit Füßen getreten werden: Ein 187 km langer und 5,5 m hoher Zaun trennt den Wald, die Tierwelt und die Menschen voneinander. Die Grenze (nicht die Menschen) wird alle 50 m von zwei Soldaten mit Maschinengewehren gesichert. Täglich kommt es zu gewaltsamen Zurückdrängungen und Inhaftierungen derjenigen, denen es gelingt, die Grenze zu überschreiten. Die solidarischen Menschen aus den Dörfern, Aktivist*innen und Organisationen, die versuchen einzugreifen, um ihnen humanitäre Hilfe zu leisten, werden kriminalisiert, als Schmuggler abgestempelt und mit Gefängnis bedroht.

Grenzzaun zwischen Polen und Belarus

Sie operieren also in Angst, und wir konnten diese Angst aufgrund der vielen Polizeikontrollpunkte und der Präsenz von Militärfahrzeugen, die sich überall im Grenzgebiet bewegen, selbst spüren. Das hält die Flüchtlinge nicht davon ab, zu kommen, und hält auch die Aktivist*innen und humanitären Gruppen nicht davon ab, unter diesen schwierigen Bedingungen zu intervenieren. Aber es erhöht die Gefahr, der sie sich aussetzen müssen. Die Flüchtlinge sollen zu Spielfiguren werden in einem größeren Konflikt der EU-Politik. Sie sitzen in der Falle, weil Polen sie nach Belarus zurückdrängt und Belarus versucht, sie zurück nach Polen zu drängen. Die Abwälzung der schmutzigen Arbeit auf die Länder an den Außengrenzen entbindet Deutschland und den Rest Europas nicht von der Verantwortung für diese Tragödie. Die Gewalt an den EU-Außengrenzen legitimiert und schafft immer mehr rechte Organisationen und Gewalt in der EU. Das muss gestoppt werden.

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