25.7 Wie lange noch werden wir unsere Ohren und Augen verschließen vor der Menschlichkeit in unseren Hinterhöfen?

Am 25.07. abends kamen wir in Nürnberg an. Nach dem Essen fuhren wir zu unseren Schlafplätzen.

Bamberg: Am nächsten Tag verließen wir Nürnberg gegen 10:30 Uhr Richtung Bamberg. Wir besuchten, was eine der Bewohnerinnen als verlassenes Dorf bezeichnete. Diese Beschreibung verweist auf mehrere Aspekte. Eine ist die staatliche Isolation dieses riesigen Camps. Der Andere ist, was innen drin passiert und die Gefühle der Menschen, die dort leben. Es ist eine Mischung aus Angst, Depression, Stress und das Gefühl, dass es niemanden berührt. Diese Mischung ist die psychische Mauer gegen die Geflüchteten in diesem riesigen AOE Lager. Wir haben dies am Eingang gefühlt, als uns die Security sagten, wir sollten dicht bei einander stehen, so dass sie unsere Identitäten sortieren können.
Wir sprachen und luden viele Frauen zu dem Empowerment Workshop ein, den wir außerhalb des Camps in einem solidarischen Café gaben. Ungefähr 20 Frauen aus dem Camp nahmen an dem Workshop teil, in dem wir über verschiedene Themen sprachen. Eine erzählte in der Diskussion, dass sie keine Informationen bekämen, verloren seien und in diesem verlassenen Dorf verzweifelten. Nach dem Workshop luden wir sie zur Kundgebung vor dem BAMF am nächsten Tag ein.

In unserer Evaluation des Besuchs des Bamberberger Camps wurde deutlich: Dieses Camp ist ein verlassenes Dorf mit durchnummerierten Gebäuden, Straßennamen und –zeichen, mit einer großen Kantine in der einen Ecke des riesigen Komplexes. Frauen mit neugeborenen, kranken oder gesunden Kindern gehen zu diesem mehr als fünfminütigen täglichen Essen. Aus Angst und Lärm schlafen sowohl Kinder und Frauen schlecht. Das sind Aspekte, die „Women in Exile“ schon kritisieren und weiterhin kritisieren werden: Wir fordern, dass Gesetze zur Lagerunterbringung und diskriminierende Flüchtlingsgesetze abgeschaffen werden.

Eine der jungen Frauen beschrieb wie ihr anderthalb jähriges Kind nicht mehr essen und schlafen kann. Im Krankenhaus sagen sie, es hätte kein Problem. Die junge Mutter, die nach Europa durch Lybien kam, kennt ihr Baby und weiß, dass es ihm schlecht geht, weiß aber nicht mehr wohin mit ihm und was zu tun ist. Sie erlaubte uns ihr Kind zu fotografieren und zu veröffentlichen. Vielleicht sieht so jemand außerhalb dieses verlassenen Dorfes die Verfassung des Kleinen und hat ein Herz um ihr zu helfen, heraus zu finden, was mit ihrem Kind ist. Ihrer Meinung nach vernachlässigen die Autoritäten sie. Sogar der Arzt, dessen Aufgabe es ist Menschen zu heilen, zeige keine Bemühungen herauszufinden woran ihr Kind leidet. Sie weiß nur, dass es ihrem Kind nicht gut geht. Eine andere Frau aus dem Lager erzählte uns, dass ihr Kind hier mit Behinderungen geboren wurde aber keine medizinische Unterstützung bekommt.

Die Türen der mehr als 20 ehemaligen militärischen Baracken sind nicht verschließbar. Die Schlösser wurden entfernt. Es reicht die Tür zu drücken und sie geht auf. „Die Security sind bedrohlich, sie kommen in unsere Räume wann immer sie wollen. Sie treten die Tür ein, kommen ohne anzuklopfen rein und sehen uns so manchmal nackt.“ Wir schlafen nicht aus Angst jemand dringt ein in unseren Raum. Wir wissen, dass sie uns so sexueller Gewalt oder Vergewaltigung aussetzen, allein weil sie nicht die Türen zerbrechen wollen wenn sie uns abschieben.
Was ist der Unterschied zwischen hier und was uns in Lybien angetan wurde?

Ein 12m² Raum wird mit 4-6 Menschen geteilt, abhängig davon ob eine single oder mit Kindern ist. Das Bild der Medien, wenn sie Politiker*innen durch das Lager führen ist, als sei es eine ganz normale Wohngemeinschaft. Aber was sie uns erzählen ist Wirklichkeit: Es gibt keine Kochmöglichkeiten, denn diese Geflüchteten bekommen ihr gekochtes Essen in der Kantine. In einer „Wohnung“ sind beinahe 20 Menschen (Die Zahl der Menschen ist niedriger nach den Abschiebungen, aber in ein paar Tagen sie ist wieder höher) die einen engen Flur, zwei Toiletten und ein Bad teilen. Das Interessanteste war, dass wenn Menschen abgeschoben wurden, der Raum doch zuzuschließen ist, so dass Keine rein kann – allein die mit dem Schlüssel, wenn sie eine neue Gruppe reinbringen.

Geflüchtete werden von einem Camp in Bayern zu einem Andern geschoben. Selbst wenn sie sechs Monate in Bamberg lebten, werden sie zu einer anderen Erstaufnahme geschickt für anderthalb Jahre. Andere leben in dem Camp in Bamberg schon seit 2015, seit dem es eröffnet wurde.

„Abschiebungen sind Alltag in diesem Lager“, erzählte uns eine Frau. Sie wurde physisch angegriffen von der Polizei als sie gegen die Abschiebung ihres Mannes um 05:00 Uhr morgens protestierte. Zudem wurde uns berichtet, dass einer aus dem Krankenhausbett von der Polizei geholt wurde.

Die meisten Frauen mit Kindern berichten, dass sie falsch behandelt werden von dem Arzt und der Hebamme, die in das Camp kommen um die Kinder anzuschauen. Sie bringen Trennungen in die communities, in dem sie Eine lächerlich machen. Das ist uns nicht fremd. Eine Hebamme aus Regensburg erzählte uns naiv, dass die Frauen der einen Community traditionelle Wege gingen in ihrer Sorge um die Kinder. Zum Beispiel indem sie Salbei auf die Nabelschnur ihrer Kinder legen oder ihre Ohren piercen. Dagegen sei die andere Community, auch vom selben Kontinent, seien besser und verstünden ihre Methoden und Lehre.

Dieses Lager sieht von außen kinderfreundlich aus, denn deutlich ist ein Spielplatz sichtbar auf einer großen offenen Wiese auf der Kinder hoch und runter rennen können. Aber diese Kinder können in keinen Kindergarten, noch haben die Mütter eine Chance an einem Deutschkurs teilzunehmen.

Die Frauen sind traumatisiert, gestresst und leben in Angst vor sexuellen Übergriffen aufgrund ihrer zur Abschiebung unabschließbaren Türen. Es sind Frauen, die durch viel Gefahr, Vergewaltigung gegangen sind, die ihre Gefährt*innen im Mittelmeer sterben haben sehen – als Leichen an den europäischen Stränden oder in der Wüste.

Nürnberg 27.08

Um 10:30 Uhr trafen wir uns vor dem BAMF in Nürnberg zu einer Kundgebung. Mehr als 10 geflüchtete Frauen aus Bamberg kamen und konnten ihre Frustration ausdrücken. Gleichzeitig baten sie den Staat ihren zu helfen ein würdiges Leben in diesem Land führen zu können.
Wir von Women in Exile erinnerten an unsere Forderungen vor zwei Jahren und das sie bisher total ignoriert wurden. Wir schickten Papierflugzeuge und Ballons mit unseren unterschiedlichen Forderungen auf vielen Sprachen über den Zaun zum BAMF.

Vielen Dank an die Solidaritätsgruppen in Nürnberg für die Organisierung dieser erinnernungswürdigen Veranstaltung. Wir verließen Nürnberg gegen 14:00 mit vier mehr geflüchteten Frauen und zwei Kindern Richtung Regensburg!

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