PM Desolate Situation nach ungeklärtem Tötungsdelikt in Flüchtlingsunterkunft: „Wir wollen einfach nur weg von hier“

Potsdam, 23. Juli 2019
Gemeinsame Pressemitteilung

Nach Tötungsdelikt in Hohenleipisch fordern Flüchtlinge ihren Auszug aus der Unterkunft Desolate Unterbringungssituation in Hohenleipisch steht seit Jahren in der Kritik Women in Exile und Flüchtlingsrat fordern: Die Flüchtlingsunterkunft mitten im Wald muss unverzüglich geschlossen werden!

Nach einem noch ungeklärten Tötungsdelikt in Hohenleipisch wenden sich Flüchtlinge heute mit einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit und die zuständigen Behörden. Sie fordern ihren sofortigen Auszug aus der extrem isolierten Unterkunft in Hohenleipisch, in der die junge Mutter Rita O. bis zu ihrem Tod gelebt hatte. Ihre sterblichen Überreste waren am 20. Juni, Monate nach ihrem Verschwinden am 7. April, gefunden worden, die zögerliche Ermittlungsarbeit der Polizei steht in Kritik.

Verbliebene Bewohner*innen fordern den Auszug aus der Unterkunft

Die Todesumstände sind nach wie vor nicht aufgeklärt und so leben die Menschen in der Unterkunft immer noch in Angst. Ihre Kinder lassen sie längst nicht mehr allein zum Spielen nach draußen. „Wir wollen, dass uns geholfen wird, von diesem schrecklichen Ort wegzuziehen. Keiner
von uns braucht riesige Wohnungen im Zentrum der Stadt. Wir wollen einfach nur weg von hier.
Wir brauchen eine menschenwürdige Unterbringung.“, schreiben sie in dem heute veröffentlichten Offenen Brief. Der Flüchtlingsrat unterstützt diese Forderungen. „Die Situation in der Sammelunterkunft in Hohenleipisch ist für die Bewohner*innen extrem belastend. Sie hätte längst geschlossen werden müssen. Es zeugt von Zynismus und Unbelehrbarkeit, dass der Landkreis
auch jetzt noch an dieser Unterkunft im Nirgendwo festhält.“ sagte Mara Hasenjürgen vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Solange Flüchtlinge gezwungen sind, an diesem isolierten und vorbelasteten Ort zu leben, ist eine Trauerbewältigung und Erholung von den traumatischen Erlebnissen nicht möglich.

Initiativen fordern seit Jahren Schließung der Unterkunft

Die Unterkunft bei Hohenleipisch ist wegen ihrer extrem entlegenen Lage seit Jahren umstritten.
Durch die fehlende infrastrukturelle Anbindung ist sie nicht mit menschenrechtlichen Verpflichtungen bei der Unterbringung vereinbar 1 . Der letzte Bus fährt um 17:30 Uhr, am Wochenende gibt es keinerlei Verkehrsanbindung. Der Gang zu Behörden, Sprachkursen, Freundinnen, Supermärkten, Beratungsstellen oder Anwältinnen ist für Flüchtlinge besonders
aufwändig, eine Arbeitsaufnahme ist für dort lebende Menschen faktisch nicht möglich. Seit vielen Jahren fordern Bewohnerinnen und Flüchtlingsorganisationen die Schließung der Unterkunft 2 3 . „Der Mord an unserer Schwester Rita zeigt wieder einmal, wie gefährlich die Lager für geflüchtete Frauen sind. Das Lagersystem ist ein System der Gewalt, in dem Täter damit rechnen können, ungestraft davonzukommen“, so Elizabeth Ngari von Women in Exile, die sich seit 2002 für die Rechte von geflüchteten Frauen* und Kindern in Brandenburg einsetzt.

Verzögerte Aufklärung des Todesfalls

Erst spät ermittelte die Polizei in Richtung eines Tötungsdeliktes, obwohl die Familie von Anfang an Hinweise darauf gegeben hatte. Offenbar wurden ihre Hilfeersuchen und Hinweise nicht ernst genommen. Die verzögerten Ermittlungen und der späte Fund ihrer sterblichen Überreste erschweren die Aufklärung der Umstände von Rita O.s Tod. „Wäre Rita eine weiße deutsche Frau gewesen, wäre das Versagen von Polizei und Behörden ein öffentlicher Skandal. Wir kann es sein, dass es zwei Monate dauerte, bis ihre Überreste in der Nähe des Lagers gefunden wurden, genau dort, wo die Polizei angeblich seit Wochen suchte? Die schleppende Aufklärung der Polizei und
mangelnde Informationsweitergabe durch die Behörden an die Bewohner*innen des Lagers in Hohenleipisch zeigen den institutionellen Rassismus, den wir seit so vielen Jahren anprangern“, so Elizabeth Ngari.

Women in Exile und der Flüchtlingsrat Brandenburg unterstützen die Forderung der Flüchtlinge nach Auszug und einer menschenwürdigen Unterbringung. Die Menschen in der Sammelunterkunft brauchen jetzt dringend Unterstützung sowie einen sicheren Ort zum Leben. Spätestens nach dem gewaltsamen Tod von Rita O. und der belastenden Erfahrungen ihrer Familienangehörigen und Nachbar*innen ist klar, dass die Situation vor Ort irreparabel ist und die Unterkunft sofort geschlossen werden muss.

Pressekontakt:
Flüchtlingsrat Brandenburg
Mara Hasenjürgen: 01522 7310650
info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
Women in Exile
Elizabeth Ngari: 01521 3070280

1.Policy Paper des Deutschen Instituts für Menschenrechte: „Menschenrechtliche Verpflichtungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Empfehlungen an die Länder, Kommunen und den Bund“, Dezember 2014
2. Pressemitteilung des Flüchtlingsrat Brandenburg vom 18. März 2011
3.Offener Brief des Flüchtlingsrat Brandenburg von 23. Januar 2015

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